Frühe MCI-Diagnose – notwendig und möglich
Fachpersonen in Deutschland gehen davon aus, dass die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit diagnostizierter Demenz bis zum Jahr 2050 auf mehr als drei Millionen ansteigt.1 Dennoch gibt es Hinweise, dass die Diagnostik von Menschen mit einer Demenz weit unter der Anzahl der tatsächlichen Fälle liegt.2 Dies betrifft auch die Frühdiagnose der Alzheimer-Demenz, die sich als neurodegenerative Erkrankung über einen sehr langen Zeitraum erstrecken kann – zahlreiche Studien konnten zeigen, dass die molekularen Veränderungen im Gehirn bereits zehn bis fünfzehn Jahre vor dem Auftreten von kognitiven Störungen nachweisbar sind.
Patientinnen und Patienten mit einer leichten kognitiven Störung (engl. mild cognitive impairment, MCI) und einem positiven Befund für Alzheimer-Biomarker haben ein mehr als neunzigprozentiges Risiko, innerhalb von fünf Jahren eine Alzheimer-Demenz zu entwickeln.3 Dies verdeutlicht umso mehr die Bedeutung einer Früherkennung von MCI mit Alzheimer-Pathologie.
Dabei kann bei 40 % der Betroffenen die Progression einer Alzheimer-bedingten Gedächtnisstörung zu einer Demenz verhindert oder zumindest in ihrem Verlauf verlangsamt werden – vorausgesetzt, die wichtigsten Risikofaktoren werden konsequent kontrolliert.4
Argumente für eine frühe MCI-Diagnose
Aktuelle Herausforderungen in der Routineversorgung
Insbesondere in der hausärztlichen Praxis ist es schwierig, eine Alzheimer-Erkrankung in einem frühen Stadium zu erkennen. Der Grund: Gedächtnisbeschwerden lassen keine eindeutigen Rückschlüsse auf das tatsächliche Vorliegen einer MCI zu. Die Diagnose muss immer auf einer ausführlichen neuropsychologischen Testung kognitiver Funktionen beruhen, da die verfügbaren Screeningverfahren MCI-typische Gedächtnisdefizite nicht erfassen können.
Kurztests wie der MMST (Mini-Mental-Status-Test), der DemTect und der TFDD (Test zur Früherkennung der Demenz mit Depressionsabgrenzung) haben keine hinreichende Sensitivität für die MCI-Diagnose und weisen Deckeneffekte auf.5 Komplizierte Testbatterien wie CERAD und PACC sind zum einen im Praxisalltag aufgrund des zeitlichen Aufwands schwer durchführbar, zum anderen erfordern sie Neuropsychologinnen und Neuropsychologen oder neuropsychologisch geschulte Fachärztinnen und Fachärzte.
Fragen Sie nach Gedächtnisveränderungen
Subjektiv wahrgenommene Gedächtniseinbußen sind ein Leitsymptom für MCI. Ermuntern Sie daher Ihre Patientinnen und Patienten zur Selbstauskunft:
- Wie gut erinnern Sie sich an Namen von Freunden und Angehörigen?
- Wie lange stellen Sie schon Gedächtnisprobleme bei sich fest?
- Hat die Vergesslichkeit über die Zeit zugenommen?
Besteht bei subjektiv wahrgenommenen Gedächtniseinbußen keine MCI, spricht man von einer SCD (engl. subjectice cognitive decline, SCD).
Neue Wege in der digitalen Diagnostik
Die Frühdiagnose einer Alzheimer-Erkrankung ist von entscheidender Bedeutung – sie ermöglicht, frühzeitig Maßnahmen zur Sekundärprävention, zum Risikomanagement, zur medikamentösen Behandlung und zur Erhaltung der kognitiven Gesundheit und Lebensqualität einzuleiten.
Mit der interaktiven mobilen App neotivCare steht Ihnen ein digitales nicht-invasives Instrument zur Bewertung und Überwachung des episodischen Gedächtnisses zur Verfügung. Die digitalen Tests unterstützen Sie darin, Unterschiede zwischen altersbedingten und pathologischen kognitiven Einschränkungen zu einem frühen Zeitpunkt zu erkennen. Für belastbare Befunde, früh im Krankheitsverlauf.
Die Gesamtbewertung der Testergebnisse wird abschließend in der App in einem Befundbrief dargestellt. Validiert gegen eine etablierte neuropsychologische Testbatterie, den PACC5**, wird dabei das zusammengesetzte Testresultat von neotivCare (Composite Score) ins Verhältnis zum Normwert der Ergebnisse von kognitiv unbeeinträchtigten Personen der entsprechenden Altersgruppe (ab 60 Jahre) gesetzt.
* Wirkstoff Lecanemab, vorläufige Zulassung in den USA. Zulassung für EU wird beantragt. www.eisai.com/news/2023/news202311.html (abgerufen am 09.01.2023)
* PACC5: Preclinical Alzheimer’s Cognitive Composite-5. Ein zusammengesetzter Wert von 5 neuropsychologischen Testverfahren (zur Bewertung des episodischen Gedächtnisses, der Exekutivfunktionen und der globalen kognitiven Leistungsfähigkeit). Eine etablierte Testbatterie mit hoher Sensitivität zur frühen Risikoeinschätzung von Alzheimer-typischen Gedächtnisstörungen.
1. Bohlken et al. Prävalenz von leichten kognitiven Störungen und Demenzen in der ambulanten Routineversorgung in Deutschland 2009–2016. Psychiatrische Praxis 2020; 47(01): 16–21.
2. Alzheimer Forschung Initiative e.V.: Symptome und Verlauf der Alzheimer-Krankheit: https://www.alzheimer-forschung.de/alzheimer/symptome/ (abgerufen am 28.10.2022).
3. Jessen. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2019; 62(3): 255–260.
4. Livingston et al., Lancet 2020; 396(10248): 413–446. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)30367–6.
5. S3-Leitlinie Demenzen (2017). Deutschland: Springer Berlin Heidelberg.